Der Circle Train Yangon

Einen spannenden Einblick in das Leben der Einwohner Yangon’s, Myanmar’s größter Stadt, kann man wohl am eindrucksvollsten im Circle Line Train erhaschen. Auf einer Länge von etwa 46 Kilometern fährt der Zug in gemächlichem Tempo um Yangon und hält an 38 Stationen. Mit zwei anderen Reisenden begebe ich mich auf die etwa 3 stündige Reise für gerade mal 200 Kyat, was etwa 0,12€ entspricht.

Zwar gibt es einen offiziellen Fahrplan, aber Papier ist geduldig und Gleis 7 ist zur offiziellen Abfahrtszeit fast menschenleer. Am

Ticketschalter gibt es lediglich ein mit dickem Filzstift beschriebenes Blatt Papier, auf dem in violetten Zahlen “10:05” geschrieben steht- obwohl der Zug eigentlich um 09:20 abfahren sollte. Der junge Mann am Schalter verkauft uns die Tickets und teilt uns in Gesten mit, Bescheid zu geben, wenn es so weit ist. So warten wir also erst mal über eine Stunde, bis unser Zug endlich am Hauptbahnhof ankommt. Der junge Mann scheint uns vergessen zu haben, aber nachdem uns Mitreisende zu verstehen geben, dass dies unser Zug ist, steigen wir in einen der Wagons. Bis es endlich losgeht, vergehen allerdings noch fast 30 Minuten und wir wechseln noch zwei mal den Zug. Keine Ahnung, warum, aber kurz nachdem alle im Zug sind, steht die Masse wieder auf und geht an ein anderes Gleis, um diese Prozedur nur wenige Minuten später zu wiederholen  😀 Am Ende sitzen wir in einem fast menschenleeren Waggon, denn irgend jemand hat uns gesagt, wir sollen nun hier sitzen bleiben. Wir schauen etwas verdutzt, aber der Zug fährt los…

In den 50er Jahren lieferte Deutschland 24 Lokomotiven an Myanmar’s Eisenbahngesellschaft und diese sind immer noch im Einsatz. Die Wagons sind klapprig und uralt, haben weder verglaste Fenster noch Türen. Die meisten Bahnhöfe stammen noch aus der Kolonialzeit. Die Gleise sind marode und der Zug fährt selten schneller als 20km/h, vermutlich um das Unfallrisiko so gering wie möglich zu halten. Die Aufenthalte an den Haltestellen sind nur sehr kurz und kaum jemand wartet beim Ein- und Aussteigen, bis der Zug zum Stillstand kommt. Man springt ab, bzw man springt auf. Nur schnell sollte es gehen… Es herrscht immer ein Kommen und Gehen, junge Männer und Frauen steigen ein, um Obst, Gemüse, oder Getränke zu verkaufen, viele davon steigen an der nächsten Station schon wieder aus. Irgendwann erscheint ein Schaffner, schaut kurz auf unsere Tickets und streicht diese mit einem Kuli durch- fertig.

Etwa nach der Hälfte der Strecke erreichen wir einen Markt am nördlichen Stadtrand von Yangon. Schon aus einiger Entfernung kann man das Geschrei aus der Menge hören. Der Zug wird langsamer und die ersten Taschen fliegen vom Steig durch Türen und Fenster. Kurz darauf stürmen Horden von Menschen in die Wagons, um sich die durch ihre Taschen reservierten Plätze zu sichern und wortwörtlich nach wenigen Sekunden ist der Wagen schon total überfüllt- und wir sind urplötzlich inmitten Hunderterter Menschen. Berührungsängste gibt es hier nicht, man sitzt dich gedrängt nebeneinander. Ein Junger Mann, vermutlich Polizist- zumindest lässt sein total ausgewaschenes Tank- Top mit der Aufschrift “Police” dies vermuten- sammelt von jedem Händler und jeder Händlerin, die den Zug mit Waren betreten, einige Scheine ein. Ich weiß nicht, ob es offiziell ist, aber eine Quittung oder ähnliches gibt es nicht…

Und so reisen wir nun zurück nach Yangon – inmitten der verschiedene Produkte in Tüten, Säcken, Kanistern und Körben. Nach und nach steigen die Leute an verschiedenen Haltestellen aus und nehmen ihre Taschen und Kisten mit und schließlich bekommt man auch wieder etwas Beinfreiheit zurück. Ich habe meinen Platz schon längst einer jungen Mutter mit ihren Kindern überlassen und mich auf die Treppen der Tür gesetzt. An den Haltestellen helfe ich den Frauen, die ihre Waren wieder aus dem Zug hieven und den Zug verlassen. Es ist sehr heiß, ich schätze, mindestens 36 Grad Celsius, aber der Fahrtwind macht es dann doch noch irgendwie erträglich.

Die Wohnsiedlungen entlang der Bahn sind in einem überwiegend schlechten Zustand. Wir passieren Wellblechdörfer Betonsiedlungen, stinkende, zum Teil schwelende Müllhalden, Kinder, die ohne Schuhe mit Abfällen spielen und dann wieder Reisfelder mitten in der Stadt. Von Modernisierung ist hier noch nichts zu sehen. Es fehlt einfach noch das Verständnis für Umweltschutz und ich bin davon überzeugt, dass von Seiten der Regierung auch noch viel zu wenig getan wird, um die Menschen hier zu sensibilisieren…

Nach etwa 3 Stunden erreichen wir auch schon wieder den Hauptbahnhof. Die meisten Passagiere sind irgendwo unterwegs ausgestiegen un der Zug ist mittlerweile wieder fast leer. Es ist tatsächlich noch ein kleines Abenteuer, mit diesem Zug durch die Stadt zu fahren und in den Alltag der Einwohner einzutauchen….


 


 

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